Als würden mächtige Greifarme eines stählernen Riesen das filigrane Getriebe halten. So mächtig wirkt der Prüfstand, mit dem das Herzstück eines Helikopters auf Herz und Nieren durchgecheckt wird. In den Fängen des Testriesen wirken von allen Seiten wechselnde Kräfte auf das Getriebe. Sie simulieren beispielsweise eine Startphase des Helikopters oder einen Richtungswechsel und sollen so mögliche Schwachstellen aufdecken. Befehle, Steuerung und Auswertung übernimmt die Automatisierungssoftware RDDS von RENK, die individuell auf den Bedarf verschiedener Testreihen zugeschnitten ist. „Somit ist es beispielswese möglich, auf einem einzigen Prüfstand die Antriebe von verschiedenen Typen und Eigenschaften zu untersuchen“, sagt Michael Ruisinger, der in Augsburg die Softwareabteilung der RENK Test System GmbH (RTS) leitet. Bei den OEMs der Helikopterindustrie wie Leonardo oder Boeing sind Anlagen der RTS sehr geschätzt. Kein Prüfstandshersteller hat derzeit weltweit mehr Hubschrauberprüfstände in Betrieb als das Tochterunternehmen der RENK Gruppe.
Maximale Anpassungsfähigkeit
Der Software kommt beim Einsatz von Prüfständen eine immer größere Bedeutung zu. „Oft wissen die Kunden selbst bei der Bestellung eines Prüfstandes noch nicht exakt, welche Betriebsbedingungen sie tatsächlich in der Praxis dann testen müssen“, erklärt Ruisinger. Aus diesem Grund ist die Software modular angelegt und kann später immer wieder angepasst werden. „Das schätzen unsere Kunden am RDDS sehr, denn sie investieren Millionen in Anlagen, die dann 20 Jahre im Einsatz bleiben sollen. Dabei kann heute niemand voraussagen, was für Prüfanforderungen in der Zukunft einmal benötigt werden.“
Was die Kunden wissen, ist, dass Ihre Anlagen immer komplexer werden und somit das Zusammenspiel verschiedener Eigenschaften noch detaillierter untersucht werden muss. Ruisinger nennt beispielsweise die zunehmende Elektrifizierung in Bau- und Landmaschinen oder auch im Flugzeugbau. So ist RENK mit Prüfständen zum Beispiel bei Rolls Royce an der Weiterentwicklung von E-Propellermotoren für Flugtaxis beteiligt. Andere Kunden benötigen eine große Einsatzbreite der Prüfstände. So kann der Fahrzeughersteller Krone dank der RDDS-Software auf der gleichen Anlage eine Ballenpresse oder ein Anhänger testen.
RENK trägt mit seinen Prüfständen auch massiv zur gesteigerten Gewinnung Erneuerbarer Energien bei. Windkraftanlagen müssen Jahrzehnte zuverlässig arbeiten Wartungen oder notfalls Reparaturen auf hoher See sind extrem kostspielig. Mit Gondelprüfständen von RENK lassen sich nicht nur Extrembedingungen und elektrische Netzrückwirkungen sehr realitätsnah simulieren, sondern im Zeitraffer auch die komplette Lebensdauer einer Anlage in wenigen Monaten abbilden. Angesichts der Dimensionen dieser Anlagen eine Mammutaufgabe. Und auch hier müssen die Testanlagen „mitwachsen“, denn die Leistung der Windräder werden immer größer. Vor wenigen Jahren hielt man Anlagen mit bis zu 20 Megawatt für kaum umsetzbar. Inzwischen wird sogar über Windräder mit einer Leistung von 30 Megawatt nachgedacht. Die Entwickler stehen dabei vor völlig neuen Anforderungen, was beispielsweise die Belastung von Getrieben und Lager betrifft. Zu diesem Zweck bietet RENK modulare Anlagen an, die je nach Bedarf nach und nach erweitert werden können. Mit der RDDS-Software können die neuen Module mit geringem Aufwand eingebunden werden.
Konsequente Weiterentwicklung
RENK greift beim Bau solch komplexer Prüfstände mit teils gewaltigen Dimensionen auf eine sehr lange Erfahrung zurück. Diese ersten Prüfstände entstanden bei RENK in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts, um die selbst erstellten Getriebe für Schiffe, Maschinen oder Panzer prüfen zu können. Schon sehr früh setzte das Unternehmen dabei immer mehr Elektronik und zunehmend eigene Programme in den Prüfständen ein. 1985 wurden die ersten analogen Controller eingesetzt und das eigenständig entwickelte Automatisierungssystem RENK Dynamic System (RDDS) geboren. Ziel war von Beginn an, Software unabhängig von einzelnen Projekten zu entwickeln. Durch konsequente Weiterentwicklung ist aus dieser Idee heute ein extrem mächtiges und flexibles Automatisierungswerkzeug entstanden, das den Grundstock für alle RENK-Prüfstände darstellt „Für die einzelne Prüfstandsanwendung erarbeiten die Kollegen dann die detaillierten Spezifikationen der speziellen Kundenanforderungen“, erklärt Ruisinger. „Aber alle können so auf eine einheitliche Software-Basis zurückgreifen.“
Auf diesem Weg gelingt es Renk, Prüfstände für immer komplexere Produkte zu entwickeln – eine absolute Stärke des Unternehmens. „Wir sind dann gefragt, wenn es um spezielle Anwendungen geht. Die Anlagen werden oft gebraucht, damit die Entwickler in Hardware auf dem Prüfstand nachvollziehen können, was sie anhand von Computersimulationen vorgearbeitet haben. Daran führt am Ende kaum ein Weg vorbei“, meint Ruisinger, der allerdings für die Zukunft zum Teil eine Verschmelzung von virtueller Entwicklung und realer Testreihe erwartet. Dadurch würde der Renk-Software noch mehr Bedeutung zukommen, weil die virtuelle Systementwicklung seit vielen Jahren bereits zur Prüfstandsentwicklung bei RTS genutzt wird und man so den Kunden schon heute anbieten kann, digitale Zwillinge der zu prüfenden Komponenten im RDDS zu implementieren.
Durch die fortschreitende Digitalisierung gewinnt RDDS immer mehr an Bedeutung, denn die virtuelle Systementwicklung wird bei RTS bereits seit vielen Jahren für die Prüfstandsentwicklung eingesetzt und so können wir unseren Kunden auch anbieten, digitale Zwillinge der zu prüfenden Komponenten in RDDS zu implementieren.
Das Automatisierungssystem RDDS ist so ausgelegt, dass der Kunde nicht nur neue Prüflinge oder Prüfaufgaben integrieren kann, sondern auch bestehende externe Systeme problemlos an die RDDS-Software andocken und die Messergebnisse auswerten vermag. Diese Kompatibilität für viele verschiedene Anwendungen ist einzigartig. Darum übernehmen mittlerweile auch andere Prüfstandsanbieter wie ABB und Hainzl das RENK-Produkt und bestücken damit ihre eigenen Testanlagen. Das erspart den Unternehmen den Aufwand einer eigenen Programmierung und man greift gerne auf die Expertise von RENK zurück.
Und auch im Hochschulbetrieb, für den RTS ganz besondere Pakete anbietet, wird RDDS zum Beispiel bei der TU München, der TU Dresden oder der RWTH Aachen sehr gerne in den Forschungsinstituten genutzt.
RDDS verfügt über zahlreiche Möglichkeiten der Echtzeitvisualisierung des Anlagenzustandes sowie der aufgezeichneten Messwerte. Für zukünftige Prüfaufgaben sieht Ruisinger aber noch vielmehr die Notwendigkeit, vorhandene Daten automatisiert auszuwerten, um dem Kunden einen besseren Überblick zu verschaffen: „Die Anlagen werden immer komplexer und gleichzeitig die Datenmengen immer größer. Darum ist es immer wichtiger, die wirklich interessanten Informationen herauszufiltern. Hier wartet ein großes Potenzial auf uns.“ Die Einbindung künstlicher Intelligenz in bestehende Softwareprodukte ist bei RENK in vollem Gang.
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