Entwicklung eines neuartigen Gesamtfahrzeug-Prüfstandes für Motorräder mit dem RENK-Automatisierungs-System RDDS
Maximilian Stanglmayr, Technische Universität Dresden
Motorradprüfungen der nächsten Generation
Am Lehrstuhl Kraftfahrzeugtechnik der TU Dresden wurde in enger Zusammenarbeit mit BMW Motorrad ein neuartiger Gesamtfahrzeugprüfstand für Motorräder entwickelt, der neue Maßstäbe im Bereich der Motorradprüfung setzt. Das System gewährleistet eine hohe Fahrstabilität und umfasst die NVH-Eigenschaften (Geräusche, Vibrationen, Rauheit), die für präzise Tests unerlässlich sind.
Ein innovatives Merkmal ist das frei drehende Vorderrad, das es ermöglicht, das Motorrad realistisch anzuheben und zu neigen. Dadurch wird die Genauigkeit der Testergebnisse erheblich verbessert. Dank der patentierten Technologie des Montagesystems bildet der Prüfstand realistische Kräfte innerhalb des Motorradrahmens nach und gewährleistet stabile und wiederholbare Messungen.
Das Motorrad wurde auf dem Prüfstand mit dem RENK Dynamic Data System (RDDS) gesteuert. Dieses Projekt ist ein hervorragendes Beispiel für die Anwendung dieser Software in der wissenschaftlichen Forschung, für die RENK spezielle Lizenzvereinbarungen anbietet.
Der Prüfstand wurde von der Prototypenphase bis zur industrienahen Umsetzung entwickelt und steht nun als leistungsstarkes Werkzeug für die moderne Motorradentwicklung zur Verfügung.
Reale Fahrbedingungen übertragen ins Labor
Meine Dissertation widmet sich der Entwicklung eines innovativen Motorradprüfstands, der reale Fahrbedingungen im Laborumfeld präzise abbilden soll. Die Herausforderung besteht darin, komplexe Schwingungs- und Bewegungsdynamiken von Motorrädern exakt zu erfassen, da herkömmliche Prüfstände oft nur begrenzt geeignet sind. Der Prüfstand soll gefährliche oder ineffiziente Fahrmanöver vermeiden, die in der realen Erprobung notwendig wären. Durch die Simulation realer Fahrzustände wird eine sicherere und effizientere Testumgebung geschaffen, die wertvolle Erkenntnisse liefert, ohne die Risiken und Einschränkungen der realen Fahrversuche einzugehen.
Die Dissertation zielt darauf ab, eine solide Grundlage für die Entwicklung und Validierung solcher Prüfstände zu schaffen und zukünftige Entwicklungen in der Fahrzeugprüfung zu unterstützen.
Besonderheiten des Prüfstandes
Für diesen Prüfstand wurden zwei ganz besondere Elemente entwickelt, um die definierten Prüfaufgaben zu erfüllen.
Eine herausragende Innovation des neuen Prüfstandskonzeptes ist das frei rollende Vorderrad, das durch ein patentiertes Haltesystem ermöglicht wird. Dieses Haltesystem spannt das Fahrzeug in der Schwerpunktkoordinate ein, was eine realistische Reproduktion der längsdynamischen Lasten, einschließlich realistisches Nicken und Huben, ermöglicht.
Das System reduziert Kontaktsteifigkeiten und erhält das originale Schwingungsverhalten des Fahrzeugs für präzise Messergebnisse. Zudem ist das Haltesystem modular aufgebaut, was eine flexible Anpassung an verschiedene Fahrzeugtypen ermöglicht.
Der Prüfstand ist mit einem fortschrittlichen Fahrroboter-System ausgestattet, das von RENK RDDS automatisiert wird.
Dieser Fahrroboter ist mit fünf Bewegungsachsen ausgestattet, die für die Übernahme der Fahraufgabe verantwortlich sind:
- Schaltung
- Kupplung
- Fahrwertgeber
- Bremse hinten
- Bremse vorne
Diese Bedienelemente werden über RDDS-interne Controller an den originalen Anbindungspunkten, wie Händen und Füßen, präzise angesteuert. Dank dieses mehrachsigen automatisierten Aktuators ist eine exakte und reproduzierbare Simulation der Fahrerinteraktionen möglich und die Testgenauigkeit wird verbessert.
Realisierung des Prüfstandes mit RDDS
Die Entwicklung des neuen Motorradprüfstandes begann mit der Erstellung eines umfassenden Konzepts, das die Grundlage für alle folgenden Schritte bildete. Dieses Konzept wurde in Hardware umgesetzt und von den Projektpartnern als erfolgreich bewertet. Im Anschluss wurde der Prototyp des Prüfstandes in Dresden weiterentwickelt, um seine Funktionen und Leistungsmerkmale weiter zu optimieren.
Ein wesentlicher Fortschritt war die Integration einer fortschrittlichen Fahreraktorik in das bestehende Prüfsystem. Wir haben nach einem modularen System gesucht, in dem sowohl Software als auch Hardware beliebig erweiterbar sind und Kosten überschaubar und transparent sind. Hierbei spielte RENK eine entscheidende Rolle, insbesondere durch das Sponsoring einer Hochschullizenz für das RENK Dynamic Data System (RDDS). RDDS ermöglichte die Integration gut verfügbarer Industrieelektronik und stellte die Grundlage für die präzise Steuerung des Fahrroboters bereit. Die Wahl von Beckhoff TwinCAT als Echtzeitumgebung gewährleistet zuverlässige Rechenleistung und bietet umfassende Erweiterungsmöglichkeiten über Schnittstellen wie CAN-Bus und EtherCAT. Ein herausragendes Merkmal von RDDS ist die Fähigkeit, Simulink-Modelle direkt in der Echtzeitumgebung zu nutzen, wodurch die an digitalen Zwillingen entwickelten Regelalgorithmen effizient zum realen System überführt werden konnten. Für diesen Prüfstand wurde ein MKS – Modell in VI-Motorcycle erstellt, welches durch ADAMS/Controls in Simulink angesteuert werden kann. So konnten die Simulink – Algorithmen für Schaltung und Regelung bereits am Schreibtisch getestet und weiterentwickelt werden, bevor sie in die reale Prüfstandsteuerung (TwinCAT / RDDS) eingebunden werden.
In RDDS ist der Fahrerregler integriert, der es ermöglicht, spezifische Trajektorien für Schaltvorgänge basierend auf verschiedenen Fahrzuständen und Lastsituationen zu berechnen. Zur Realisierung dieses Features wurden Messdaten von verschiedenen Fahrern analysiert und relevante Parameter abgeleitet, die in Formeln für die Online-Berechnung umgesetzt wurden.
RDDS bietet mittels der anwenderfreundlichen Programmierweise zudem herausragende Möglichkeiten, Einlernvorgänge der Aktoren auf neue Fahrzeuge zu automatisieren, wodurch das Einrichten neuer Fahrzeuge schnell und effizient erfolgt. Die Fahreraktorik wird für fahrzeugmodell-spezifische Ansteuerungswege kalibriert
Die in RDDS bereitgestellten Daten werden vom Fahrerregler in Echtzeit verarbeitet, und die berechneten Trajektorien werden kontinuierlich an die Bewegungsachsen des Prüfstandes übermittelt. Dies stellt sicher, dass die Schaltvorgänge exakt simuliert werden und die Testergebnisse die realen Fahrverhältnisse präzise widerspiegeln.
Das so erstellte Schaltmodell ermöglicht es, ein real aufgenommenes Geschwindigkeitsprofil mit realistischen Schaltbefehlen nachzufahren. Dabei wird das Geschwindigkeitsprofil inkl. real gefahrenem Gang über dem Weg abgetastet und die Schaltparameter wie oben nach Lastsituation bestimmt.
Ziel erreicht mit RDDS
Der neu entwickelte Motorradprüfstand ermöglicht eine präzise Nachbildung realistischer Fahrbedingungen und setzt neue Maßstäbe in der Fahrzeugprüfung. Die Hauptresultate zeigen, dass der Prüfstand realistische Kräfte im Fahrwerk erzeugt, die im Vergleich zwischen Straßenfahrt und Prüfstandfahrt übereinstimmen. Zudem konnten ähnliche Schwingungsformen in beiden Situationen nachgewiesen werden.
RDDS hat sich als entscheidend für die Durchführung umfangreicher Fahrmanöver erwiesen, indem es diese Prozesse erheblich erleichtert hat. Mit der Integration von Beckhoff TwinCAT wurde eine effektive Kommunikation durch Standard-Schnittstellen wie CAN-Bus und EtherCAT ermöglicht. Der Prüfstand bietet eine solide Grundlage für weiterführende Forschungen und Entwicklungen in der Motorradtechnik und eröffnet neue Möglichkeiten für präzise Fahrzeugtests.
Maximilian Stanglmayr
Maximilian Stanglmayr bringt umfassende Erfahrung in der Entwicklung und Optimierung von Prüfstandssystemen mit, insbesondere im Bereich der Motorradtechnik. Während seiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter hat er sich intensiv mit der Konzeption und Umsetzung komplexer Prüfstandslösungen beschäftigt. Er hat durchgehend an der Entwicklung eines Motorrad-Gesamtfahrzeugprüfstandes gearbeitet, beginnend von der Entwurfsphase über die Simulation bis hin zur Realisierung. In diesem Zusammenhang war er unter anderem verantwortlich für die Programmierung der Automatisierungssoftware, die Integration von Systemen zur Messdatenerfassung und -analyse sowie die Verwirklichung und Erweiterung des Prototypenprüfstandes.
Besonders hervorzuheben ist seine Rolle als Anwender des RENK Dynamic Data Systems (RDDS). Maximilian Stanglmayr hat RDDS erfolgreich integriert, um die Automatisierung und Anpassung des Prüfstandes zu optimieren.
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